Wie kommt der Krieg ins Kind
„...ein Fingerabdruck, hinterlassen vor gut siebzig Jahren mit blauer Tinte auf gelbem Karton, entlockt mir einen unhörbaren Schrei. Es ist der Fingerabdruck meiner Mutter. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung im April 1945 durch die GPU, die sowjetische Geheimpolizei, vierzehn, bei Aufnahme in das polnische zentrale Arbeitslager Potulice/Potulitz gerade fünfzehn Jahre alt. Ich entdecke ihren Fingerabdruck auf meiner Spurensuche, auf der Suche nach meiner Mutter als gefangenes Kind."
Susanne Fritz, geb. 1964, ist Schriftstellerin und Regisseurin. In ihrem autobiographischen Roman „Wie kommt der Krieg ins Kind?" reflektiert sie ihre eigene Familiengeschichte, die geprägt ist durch die deutsch-polnische Herkunft der Familie und deren Verstrickungen in das nationalsozialistische Regime des Dritten Reiches. Als Angehörige der Gruppe der „Volksdeutschen" und somit Volksverräterin wurde ihre Mutter im Alter von 14 Jahren verhaftet und verbrachte vier Jahre ihres jungen Lebens im Arbeitslager. Über dieses Trauma hat die Mutter nie gesprochen und es dennoch – oder gerade deswegen – an ihre Tochter weitergegeben. Nach dem Tod der Mutter durchbricht die Tochter das Tabu und begibt sich auf eine Spurensuche der unausgesprochenen Familiengeschichte.
Leise, sorgfältig, einfühlsam und sehr persönlich rekonstruiert die Autorin das Schicksal ihrer Familienangehörigen. Sie analysiert Fotos und historische Dokumente, befragt Historiker und Zeitzeugen und bereist Schauplätze, versucht zu verstehen, ohne zu relativieren, benennt Grausamkeiten, ohne zu beschönigen, und zeichnet dabei ein vielschichtiges Bild einer Familie, die von tiefsitzenden, nie ausgesprochenen Traumata geprägt ist. Traumata, die letztlich auch die Autorin selbst in sich trägt und auf diese Weise zu verarbeiten sucht. Ihre Reise durch uralte Erinnerungen hat mich von Beginn an in ihren Bann gezogen, tief berührt und sprachlos gemacht. Ein Buch, das ich all jenen, die verstehen wollen, wie Familiengeschichten uns prägen, und nebenbei noch etwas über die deutsche Geschichte erfahren möchten, nur wärmstens ans Herz legen kann.
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Dr. Karin Lachenmeir ist Psychologische Psychotherapeutin und seit 2002 im TCE tätig, seit 2008 als Leiterin der Einrichtung. Sie ist approbierte Verhaltenstherapeutin und hat Weiterbildungen in Körpertherapie und Systemischer Beratung absolviert. Seit 2011 ist sie zudem als Dozentin und Supervisorin für verschiedene Münchner Weiterbildungsinstitute tätig. Am TCE hat sie die Verantwortung für alle personellen, organisatorischen und fachlichen Fragen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten lesend oder schreibend, auf ausgedehnten Spaziergängen, im Kino, im Theater oder auf Reisen.