In der Kunsttherapie, angeboten jeweils in der Gruppe und im Einzel, haben Patienten mit Magersucht, Bulimie oder Binge Eating die Möglichkeit, sich ganz intuitiv und ohne Worte mit ihrer Essstörung auseinanderzusetzen, um dadurch ganz neue Einsichten zu erlangen.
Seit vielen Jahren arbeite ich als Kunsttherapeutin im TCE und beobachte, dass sich alles in meiner therapeutischen Arbeit um genau dieses dreht: Annehmen und Loslassen. Meine Aufgabe ist die Wegbegleitung und Seelenführung junger Menschen.
Ich lasse mich von den unterschiedlichen Lebensgeschichten und Gefühlen berühren und arbeite mit der Überzeugung, dass Kunst eine entscheidende Hilfe sein kann, aus der Krise verwandelt und gestärkt herauszukommen.
Kunst an sich und kreatives Experimentieren sind ein hervorragendes Mittel, schnell und direkt in Kontakt mit dem zu kommen, was wirklich ist.
„Ich will mich sortieren", sagt eine junge Frau, als sie den Kunstraum zum Einzel betritt.
Durch die vielen Bilder, die im Anschluss an dieses ausgesprochene Anliegen entstehen, verbindet sich die Patientin mit ihrer Schöpferkraft und Ausdrucksfähigkeit, gleichzeitig kann sie sich ihr inneres Chaos anschauen und entscheiden, in welcher Reihenfolge sie die Themen angehen will.
Eine andere Patientin sagt: „Ich hasse mich und habe Selbstverletzungsdruck." Indem sie malt und sich nicht selbst schadet, taucht plötzlich etwas Ungeahntes auf: zarte, verletzlich wirkende Flächen von Farbe und Material auf dem weißen Malpapier, wie eine dünne Haut.
Das Bild spricht sozusagen zu der jungen Frau: „Vorsicht, ich bin empfindsam und durchlässig, ich brauche Schutz und Wertschätzung."
Genau in solchen Momenten kann ein Wendepunkt entstehen, die Patientin hält inne, anstatt sich selbst zu schaden. Bereits während des Gestaltens kann sie sanftere Umgangsformen mit sich und dem Material wählen, kann sie diese Erfahrung in den Alltag mitnehmen und Schritt für Schritt gegen selbstverletzendes Verhalten eintauschen.
„Herzensangelegenheiten – mein Herz als pulsierendes Gefühlsbarometer. Was ist in diesem Bereich los und wie kann das im Außen sichtbar werden?" Diesem Thema widmen wir uns mehrere Stunden in der Gruppenkunsttherapie.
Eine Patientin, die erst seit Kurzem bei uns im TCE ist und vorher einige Tage in der Kinderklinik des Klinikums Dritter Ordens verbrachte, bringt ihre zarten Hände in die Tonmasse ein, beginnt vorsichtig zu tasten, im Verlauf fester zu greifen und auszuformen. Dabei tauchen Gefühle von Schmerz, Wut und Traurigkeit in ihr auf. Ihre Tränen fließen, während sie die Augen in diesem Prozess geschlossen hält. Ihr Ausdruck in diesem Moment ist stark und frei, hier geschieht ein Annehmen und gleichzeitiges Loslassen ihrer Gefühle.
„Heile, heile, heile", dieses Mantra, erzählt die Patientin, hätte sie während der Tonarbeit vor ihrem inneren Ohr gehört. Ihre Entscheidung steht: sie will die Krankheit endlich aufgeben und wieder ganz leben. Die Mitpatientinnen sind bewegt von dieser Klarheit, die alle in diesem Moment erreicht.
Von Herzen,
– Dorothee Walter
Dorothee Walter arbeitet seit 2005 als Kunsttherapeutin im TCE. Sie ist Diplom-Musikbibliothekarin und Kunsttherapeutin mit langjährigen Erfahrungen im Museumswesen (Lenbachhaus München), eigenen Ausstellungsprojekten und Kreativworkshops. Ihr besonderes Interesse gilt der modernen Kunst, sie besucht gerne Ausstellungen, liebt Yoga und Tanzen, schreibt und zeichnet gerne in ihr Tagebuch und findet ihren Ausgleich in der Stille der Natur. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter im Isartal.