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TCE-Blog

21. April 2022 · Erfahrungsbericht

Corona-Pandemie und Essstörungen – ein Problem vor allem für die Jüngeren?

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat bei uns im TCE die Zahl der minderjährigen Patientinnen gegenüber den beiden Vorjahren erkennbar zugenommen. Waren 2018 und 2019 noch jeweils rund die Hälfte aller Patientinnen, die bei uns ein Erstgespräch in Anspruch genommen haben, unter 18 Jahren alt, stieg der Anteil der minderjährigen Patientinnen 2020 auf 56%, 2021 sogar auf 61%. Und auch in diesem Jahr erreichen uns zahlreiche Anfragen von Minderjährigen und deren Familien. Die überwältigende Mehrheit der Betroffenen benannte die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen und Belastungen als Einflussgröße für die Entstehung oder die Verschlimmerung ihrer Essstörung.

Die möglichen Hintergründe sind vielfältig. So ging durch Lockdown und Homeschooling eine haltgebende Tagesstruktur verloren, ebenso die sichere Einbindung in ein soziales Netz. Plötzlich stand viel freie Zeit zu Verfügung, die gefüllt werden musste, und überall auf den sozialen Medien wurden Yoga-Videos und Rezepte zum Selberkochen gepostet. Viele Patientinnen erzählen uns, dass sie den Lockdown zum Anlass genommen haben, ihr Leben umzukrempeln und endlich eine bessere Version ihrer selbst zu werden. Für die meisten Betroffenen hieß das: Diät halten und viel Sport treiben. Mitunter war der Gedanke, am Ende mit einer wesentlich dünneren Figur wieder vor die Schulklasse treten zu können, Ansporn, diese Maßnahmen fortzuführen. Andere berichten, dass sie in dieser Beschäftigung Halt fanden in einer durch und durch unsicheren Zeit. Doch wenn solche scheinbar harmlosen Aktivitäten erst einmal in eine Essstörung münden – und das geschieht oft schleichend und unbemerkt –, dann lassen sie sich mit dem Ende des Lockdowns nicht wieder abstellen. Die Essstörung übernimmt das Ruder und setzt ihr neu eingeführtes Regime unerbittlich weiter fort.

Warum sich dieser Effekt nicht im gleichen Maße auch bei den älteren Patientinnen zeigte, können wir nur vermuten. Vielleicht verfügen die Älteren schon über bessere Ressourcen und Bewältigungsstrategien, vielleicht gibt es aber einfach auch nur mehr Behandlungsangebote für diese Altersgruppe, sodass sich der Andrang auf mehr Einrichtungen verteilte. Die Nachwirkungen der Pandemie sind jedenfalls im TCE noch heute deutlich spürbar.

Bildnachweis: unsplash/anniespratt

Über die Autorin

Dr. Karin Lachenmeir ist Psychologische Psychotherapeutin und seit 2002 im TCE tätig, seit 2008 als Leiterin der Einrichtung. Sie ist approbierte Verhaltenstherapeutin und hat Weiterbildungen in Körpertherapie und Systemischer Beratung absolviert. Seit 2011 ist sie zudem als Dozentin und Supervisorin für verschiedene Münchner Weiterbildungsinstitute tätig. Am TCE hat sie die Verantwortung für alle personellen, organisatorischen und fachlichen Fragen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten lesend oder schreibend, auf ausgedehnten Spaziergängen, im Kino, im Theater oder auf Reisen.