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Eine Essstörung erkennen - darauf sollten Eltern und Angehörige achten

Essstörungen sind eine Erkrankung mit vielen Gesichtern - es gibt nicht nur unterschiedliche Formen, sondern auch diverse Symptome und Leidensgeschichten. Deswegen ist es für Eltern und Angehörige von betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht immer einfach, den Unterschied zwischen "normal" und "auffällig" direkt zu erkennen. In diesem Blogbeitrag identifizieren wir einige Alarmzeichen, die auf eine Essstörung hinweisen können - und erste Schritte, die im Ernstfall für schnelle Hilfe sorgen.

Nicht jede Essstörung ist gleich

Essstörung ist nicht gleich Essstörung - je nachdem, um welche Erkrankung es sich bei dem einzelnen Kind bzw. Jugendlichen handelt, können die Alarmzeichen ganz unterschiedlich ausfallen. Bei fast allen Essstörungen wird jedoch eine Überbewertung von Figur und Gewicht sowie deren Kontrolle erkennbar.

 

Wir unterscheiden im Wesentlichen zwischen drei Störungsbildern:

Magersucht (Anorexie): Hauptmerkmal der Magersucht ist das Untergewicht. Das Gewicht liegt unterhalb des von der WHO festgesetzten Normalgewichts. Die Betroffenen führen die Gewichtsabnahme absichtlich herbei bzw. verhindern bewusst eine Gewichtszunahme, z. B. durch Hungern oder exzessive Bewegung. Auch Maßnahmen wie Erbrechen oder der Missbrauch von Abführ- oder Entwässerungsmitteln ist hier zu nennen. Eine Magersucht kann jedoch auch dann diagnostiziert werden, wenn sich das Gewicht im Normalbereich befindet, die restliche Symptomatik jedoch dem Bild einer Magersucht entspricht, insbesondere, wenn die Betroffenen in der letzten Zeit deutlich abgenommen haben. In diesem Fall sprechen wir von einer „Atypischen Anorexie“.

Bulimie (Bulimia nervosa): Kernsymptom der Bulimie sind wiederkehrende Heißhungeranfälle, bei denen die Betroffenen innerhalb eines umschriebenen Zeitraums große Mengen an Nahrung zu sich nehmen. Dieses Verhalten ist oft sehr schambesetzt und wird meist heimlich praktiziert. Aus Angst, durch den Essanfall zuzunehmen, erfolgen anschließend gegensteuernde Maßnahmen, am häufigsten Erbrechen, aber auch Missbrauch von Abführmitteln, radikale Fastenkuren oder exzessive Bewegung. Die Übergänge zur Magersucht sind oftmals fließend. Betroffene, die an einer Bulimie leiden, beschreiben häufig restriktive Phasen in ihrer Krankheitsgeschichte. Es besteht eine Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von Figur und Gewicht. Eine Bulimie wird nur dann diagnostiziert, wenn die Diagnose einer Magersucht ausgeschlossen werden kann.

Binge Eating: Auch bei der Binge-Eating-Störung stehen wiederkehrende Heißhungeranfälle mit Kontrollverlust im Vordergrund. Diese kommen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten mindestens einmal pro Woche vor. Die Betroffenen verzehren große Mengen an Nahrungsmitteln bis weit über das natürliche Sättigungsgefühl hinaus, mitunter sogar bis zu einem unangenehmen Völlegefühl oder zur Übelkeit. Das Essen ist schambesetzt, die Betroffenen beschreiben ausgeprägte Schuldgefühle, Selbsthass und Selbstekel im Zusammenhang mit den Essanfällen. Im Gegensatz zur Bulimie erfolgen danach jedoch keine gegenregulierenden Maßnahmen. Aus diesem Grund führt Binge Eating häufig zu einem Gewichtsanstieg - bis zu einem deutlichen, teilweise auch medizinisch bedrohlichen Übergewicht.


Das sind Warnzeichen für eine Essstörung

Nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Krankheitsbilder ist es nicht immer einfach, eine Essstörung sofort von einem normalen Essverhalten abzugrenzen. Hinzu kommt, dass alle Kinder individuelle Persönlichkeiten haben - was für manche ein auffälliges Verhalten ist, kann für andere eine ungewöhnliche Phase sein. Außerdem werden Magersucht, Bulimie, Binge Eating und Co. aus Schamgefühl nicht selten versteckt, was die Sichtung der Symptome noch schwieriger macht. Alarmierend können vor allem folgenden Anzeichen und Verhaltensweisen sein:

  • Sportverhalten: Vermehrtes und exzessives Sportverhalten, das in manchen Fällen sogar mehrfach am Tag durchgeführt wird. Dieses kann, muss aber nicht mit einem deutlichen Gewichtsverlust einhergehen. Auffällig ist vor allem, dass nicht mehr die Freude an der Bewegung im Vordergrund steht, sondern das Sportprogramm zu einem Zwang wird, also zu einem festen Pflichtprogramm, das gegen alle inneren und äußeren Widerstände absolviert werden muss.
  • Gewichtskontrolle: Ständiges Wiegen und Kontrollieren des Körpergewichts. Die Zahl auf der Waage hat einen hohen Einfluss auf Stimmung und Selbstwertgefühl.
  • Körperliche Anzeichen: Schneller Gewichtsverlust bzw. schnelle Gewichtszunahme oder auffallende Gewichtsschwankungen, Erschöpfung bis hin zu Schwäche und Schwindel, Kopf- und Rückenschmerzen, anhaltende Verdauungsprobleme, häufiges Frieren, trockene Haut, brüchige Nägel und Haare bis hin zum Ausbleiben der Periode
  • Essverhalten: Häufige oder langanhaltende Diäten oder besondere Ernährungsformen (Paleo, Low Carb, Intervallfasten), Einteilung von Lebensmitteln in „gesund“ und „ungesund“ bzw. „erlaubt“ und „verboten“, deutlich reduzierte und selektive Nahrungsauswahl, Horten oder Verstecken von Nahrungsmitteln sowie Ekel gegenüber bestimmten Gerichten und Essensgerüchen. Das Essen selbst wird zelebriert, die Betroffenen essen auffällig langsam, schneiden die Nahrung sehr klein oder selektieren, d. h. sie essen die einzelnen Bestandteile der Nahrung nacheinander und getrennt voneinander, z. B. den Salat oder das Gemüse zuerst. Auch das Auslassen und sogar Verweigern von Mahlzeiten gehören auf diese Liste. Häufig geben die Betroffenen vor, schon andernorts gegessen zu haben oder noch essen zu wollen. Ebenso kann es ein Warnsignal sein, wenn größere Essensmengen ohne jede Erklärung verschwinden.
  • Medikamenteneinnahme: Einnahme von appetitzügelnden, entwässernden und/oder abführenden Medikamenten. Auch der übermäßige Gebrauch von Alkohol und Drogen oder die Überdosierung von Schilddrüsenhormonen können mit einer Essstörung in Verbindung stehen.
  • Erbrechen: Die Betroffenen halten sich direkt im Anschluss nach dem Essen für längere Zeit auf der Toilette auf, putzen sich auffallend oft die Zähne oder benutzen Mundwasser und Lufterfrischer.
  • Psychische Anzeichen: Zwischen Stimmungsschwankungen, sozialer Isolation und Depression gibt es viele psychische Anzeichen einer solchen Erkrankung. Dazu können auch der Rückzug von Freunden und Familie, Angstgefühle, eine erhöhte Reizbarkeit und ein geringer Selbstwert zählen. Die Betroffenen können sich schlechter konzentrieren als früher, das Denken wird träge und unflexibel und kreist ständig ums Essen bzw. um die Figur und das Gewicht. Das Verhalten fällt durch eine größere Zwanghaftigkeit oder – eher bei Bulimie oder Binge Eating - durch eine unbedachte und ungestüme Impulsivität auf.


Es sollte aber immer mit bedacht werden, dass viele dieser körperlichen und psychischen Alarmzeichen auch auf andere Erkrankungen hindeuten können. Daher empfiehlt es sich, sich als erstes vertrauensvoll an den Kinderarzt zu wenden, um andere mögliche Ursachen abzuklären. Jedes einzelne der genannten Symptome kann für sich genommen harmlos sein. Je mehr davon jedoch zusammenkommen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass eine Essstörung dahintersteckt.

Erste Schritte für eine schnelle Hilfe

Sollten Eltern oder Angehörige entsprechende Anzeichen bei einem Kind bzw. einem/einer Jugendlichen feststellen, lohnt sich ein offenes Gespräch und eine Evaluation beim Kinderarzt oder bei einer Fachberatungsstelle für Essstörungen. Vermieden werden sollte, auf das Aussehen der Betroffenen einzugehen - sowohl das Loben als auch das Kritisieren für eine Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme helfen nicht. Gleiches gilt für Diskussionen über Kalorien und Körpermaße. Hilfreich ist es, einen sicheren Ort zu schaffen, wo die Betroffenen über ihre Essstörung sprechen können. Dafür kommen insbesondere Psychologen und Therapeuten infrage, bei denen ohne Eltern und Angehörige im Raum ganz offen gesprochen werden kann.

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